Prof. Daniel Heine und Dr. Lisamaria Bracher
Berner Fachhochschule BFH
3,4 Milliarden Liter Milch geben die Schweizer Kühe jedes Jahr und fast die Hälfte davon wird zu Käse verarbeitet. Dabei fällt auch entsprechend viel Molke als Nebenprodukt an, die wertvolle Mineralstoffe und Vitamine enthält. Das Team Biokonversion und Schutzkulturen der Berner Fachhochschule um Daniel Heine und Lisamaria Bracher untersucht gemeinsam mit Agroscope Liebefeld sowie dem Jungunternehmen Lokalgenuss AG, wie diese Molke vollumfänglich für die menschliche Ernährung genutzt werden kann.
Die Molke soll mit dem natürlichen Verfahren der Milchsäurefermentation aufgewertet werden. So bleibt sie nicht nur länger haltbar, sondern erhält ebenfalls einen guten Geschmack und einen optimalen Nährwert.
In der Schweiz fallen jährlich 1 Mio. Tonnen Molke als Käse-Nebenprodukt an, wovon 70 % entsorgt oder als Tierfutter genutzt werden. Ein neues Verfahren nutzt Milchsäurebakterien, um Molke aufzuwerten und natürliches Vitamin B9 (Folsäure) zu produzieren. Dies ermöglicht eine Rückführung in die menschliche Ernährung, zum Beispiel in Getränken und zeigt Potenzial für eine nachhaltige Nutzung der Molke.
Jährlich fallen in der Schweiz rund 1 Million Tonnen Molke als Nebenprodukt der Käseindustrie an, davon wird auch aktuell ungefähr 70% als Tierfutter verwendet oder direkt entsorgt. Molke ist äußerst gesund, enthält sie neben Molke Proteinen und Laktose auch noch B-Vitamine (B1, B2, B3, B6) und Mineralstoffe (Na, P, Ca, Mg, Cu, Zn). Molke Proteine sind wertvolle Inhaltsstoffe für Sportlernahrung (Whey Protein) und werden mittlerweile meist aus der Molke isoliert, zurückbleibt das Laktose-reiche Molkepermeat.
Das übergeordnete Ziel des vorliegenden Projektes ist die Aufwertung dieser beiden Nebenströme der Lebensmittelindustrie, Molke und Molkepermeat, und deren Rückführung in die menschliche Ernährung. Die konkrete Idee hierbei ist die Valorisierung mittels Fermentation durch gesundheitlich unbedenkliche Milchsäurebakterien, wie man sie auch zur Joghurt Herstellung verwendet. Diese Bakterien sind in der Lage die reichlich vorhandene Laktose der Molke/des Molkepermeats zu verwerten und durch ihren Metabolismus zusätzlich Folsäure (Folat; Vitamin B9) herzustellen, ein B-Komplex Vitamin, mit welchem die Schweizer Bevölkerung unterversorgt ist (Quelle: BAG). Vitamin B9 ist essenziell für die Bildung roter Blutkörperchen, ein gesundes Zellwachstum und eine normale Entwicklung des Fötus im Mutterleib. Mikrobiell produziertes Vitamin B9 besitzt gesundheitliche Vorteile gegenüber künstlich hergestelltem Folat, beispielsweise wird es vom menschlichen Körper anders aufgenommen. So werden die beiden Molke Substrate qualitativ, organoleptisch und funktionell aufgewertet und können industriell, z.B. in Molke Getränken oder Milchmischgetränken, weiterverwendet werden.
Versuchsweise wurden aus Molke/Molkepermeat Nährmedien mit unterschiedlicher Trockenmasse und Pufferung für die Milchsäurebakterien hergestellt. Molke/Molkepermeat hat man dabei entweder separat beigemischt oder als Kombination in unterschiedlichen Teilmengen. Mehr als 20 Stämme von Milchsäurebakterien mit der Fähigkeit zur erhöhten Folsäurebildung wurden anschließend gescreent. Alle Bakterienstämme waren in diesen Nährmedien kultivierbar, proliferierten jedoch deutlich besser, wenn das Kulturmedium Molke enthielt. Die Menge des produzierten Vitamin B9 erwies sich als stark Stamm und Medium abhängig und die Konzentration nach 24 Stunden Inkubation variierte stark. Alle Vitamin B9 Nachweise wurden mit einem Vitamin B9-defizienten Enterococcus hirae Stamm gemacht und mittels einer Referenzstandardkurve quantifiziert. Vor allem Milchsäurebakterien der Gattung Lactococcus (total 4 Stämme) waren in der Lage das Vitamin in relevanten Mengen zu produzieren.
Vitamin B9 ist instabil, und wird bei viel Licht, Sauerstoff oder Hitze Einfluss zerstört. In der Lebensmittelindustrie herrschen daher harsche Bedingungen und sind mit ein Grund, warum Vitamin B9, während der Lebensmittelprozessierung verloren geht. Um zu testen, ob das bakterielle Vitamin B9 den Molke Trocknungsprozess in Ernährungs-relevanten Mengen übersteht, wurden die Proben hochskaliert und im Anschluss unter Vakuum gefriergetrocknet, resuspendiert aufkonzentriert. Die Vitamin B Produktion war auch in größerem Volumen erfolgreich, die Gefriertrocknung funktionierte für alle Proben (ausreichender Grad der Pulverisierung, mengenmäßig wenig Verluste), und die Pulver waren gut lösbar in Wasser. Auch bei diesen Versuchen erwiesen sich die Stämme der Gattung Lactococcus als besonders gut. Sehr wenig bis keinen Verlust von Vitamin B9 wurde während der Trocknung verzeichnet und die Proben zeigten ein ausgezeichnetes Konzentrationspotenzial mit Vitamin B9 Konzentrationen bis zum 6-fachen der Originalkonzentration. Dies ist angesichts des üblichen Verlusts von Vitamin B9 bei der Lebensmittelverarbeitung bemerkenswert.
Dank dieser Machbarkeitsstudie wurde gezeigt, dass Vitamin B9 auf natürliche Weise mittels Milchsäurebakterien in Molke/Molkepermeat produziert werden kann und insbesondere in Molke auch in Ernährungsrelevanten Mengen. Auch unter Bedingungen näher an der Lebensmittelindustrie, wurde Vitamin B9 effizient und mit wenig Verlusten produziert. Das mikrobiell produziertes Vitamin B9 bewies genügend Stabilität, um die Technologischen Prozesse in relevanten Mengen zu überstehen. Dabei weisen bei allen Versuchen die Stämme der Gattung Lactococcus ein erhebliches Potenzial für die großtechnische Produktion auf.
Im Programm Food 4.0 begleiten die Akademien der Wissenschaften Schweiz unter dem Lead der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften SATW innovative Projektideen, die ganz am Anfang der Entwicklung stehen. Gefördert werden insbesondere Projekte, die neue Perspektiven für eine erfolgreiche Entwicklung des Schweizer Ernährungssystems aufzeigen. Die ausgewählten Projekte leisten einen wichtigen Beitrag zur Lösung der grössten Herausforderungen und adressieren die Themenbereiche Food Waste, Nachhaltigkeit und Gesundheit.