Die Förderung der digitalen, wissenschaftlichen und technologischen Kompetenzen der gesamten Gesellschaft ist essenziell, damit sich die Bevölkerung aktiv in wissenschaftliche Diskurse einbringen kann. Auf kantonaler und Gemeindeebene kann dies durch niederschwellige MINT-Angebote im öffentlichen Raum oder durch eine gezielte Sensibilisierung von sogenannten Gatekeeper:innen geschehen – also Personen, die direkten Einfluss auf die Berufswahlentscheidungen von Jugendlichen haben. Dazu gehören insbesondere Eltern, die laut Nahtstellenbarometer (GFS/SBFI, 2024) in 90 Prozent der Fälle eine entscheidende Rolle bei der Wahl der Ausbildung ihrer Kinder spielen. Daher müssen sie besser über MINT-Berufe informiert und in ihrer unterstützenden Rolle gestärkt werden. Ebenso ist der Austausch zwischen Schüler:innen entscheidend, etwa durch Peer-Netzwerke oder moderierte Gruppen, die geschlechtsspezifische Stereotype abbauen.
Auf kantonaler Ebene ist die Vernetzung lokaler Akteur:innen ein zentraler Erfolgsfaktor für eine nachhaltige MINT-Förderung. Der Bottom-up-Ansatz, der auf die Bedürfnisse der lokalen Industrie und Wirtschaft eingeht (EU STEM Coalition, 2023), kann dazu beitragen, Synergien zwischen Schule, Berufswelt, Tertiärbildung und Gesellschaft zu stärken. Öffentlich-private Partnerschaften, wie Smartfeld im Thurgau oder Go-Tec-Labor im Kanton Schaffhausen, sind Beispiele für erfolgreiche Kooperationen, die Schulen und Unternehmen zusammenbringen. Um solche Netzwerke systematisch zu etablieren, empfiehlt sich die Bildung regionaler Arbeitsgruppen zur MINT-Förderung, die von MINT-Koordinator:innen begleitet werden und als Schnittstelle zwischen Schulen, Hochschulen und Unternehmen fungieren.
Eine zentrale Massnahme zur Förderung von MINT-Berufen ist die gezielte Ausbildung und Weiterbildung von Lehrpersonen. Evidenzbasierte Lehrmethoden, die Theorie und Praxis verbinden (Colberg et al., 2024), sind dabei essenziell. Besonders in der Primarstufe mangelt es an einer ausreichenden fachwissenschaftlichen Ausbildung in den Naturwissenschaften. Der Verband Fachdidaktik der Naturwissenschaften Schweiz (DiNat.ch) fordert deshalb einen ausgebauten Wahlbereich für naturwissenschaftliche Fächer (Colberg et al., 2024). Zusätzlich sollten alle Lehrpersonen während ihrer Ausbildung verpflichtend mindestens zwei Praktika in naturwissenschaftlichen Fächern absolvieren. Auch Fachkräfte für Bildungs- und Berufsberatung müssen über aktuelle Entwicklungen in den Studiengängen informiert sein und gendersensible Informationsmaterialien nutzen.
Schüler:innen müssen während ihrer gesamten Schulzeit durch interaktive und praxisnahe MINT-Aktivitäten begleitet werden, um ihr Interesse zu steigern. Schon im Kindergarten können spielerische Ansätze helfen, Neugier für naturwissenschaftliche Phänomene zu wecken. In der Sekundarstufe sollte die Berufsorientierung durch hochwertige Informationsangebote gestärkt werden, wie zum Beispiel «Berufswahl klischeefrei!» der Universität Basel oder die Westschweizer Karteiboxen «Balayons les clichés». Auch digitale Tools wie MindMINT der Universität Zürich, das auf die Förderung eines positiven Mindsets abzielt (Evagorou, 2024), sind vielversprechende Ansätze. Zudem muss das Image technischer Berufe verbessert werden – beispielsweise durch Schnuppertage, Unternehmensbesuche und den Austausch mit Fachkräften. Eine gezielte Talentförderung nach dem Vorbild von ICT-Scouts könnte besonders begabte Schüler:innen frühzeitig identifizieren und fördern.
Die flexible Gestaltung der gymnasialen Maturität durch die jüngste Revision ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die digitale Wissenschaft sollte als Wahlpflichtfach langfristig verankert bleiben. Zudem sollten geschlechtsspezifische Fächerbezeichnungen überdacht werden, um stereotype Studienentscheidungen zu vermeiden (Vouillot, 2010). Spätere Wahlmöglichkeiten für Schwerpunktfächer könnten es Schüler:innen erleichtern, MINT-Berufe für sich zu entdecken. Ebenso ist eine gezielte Studien- und Laufbahnberatung wichtig, insbesondere für Jugendliche aus nicht akademischen Familien. Um die Durchlässigkeit im Bildungssystem zu erhöhen, sollte die Berufsmaturität weiter aufgewertet werden (Salvi, 2024).
Die Steigerung des Frauenanteils in MINT-Berufen erfordert einen systemischen, langfristigen Ansatz. Neben bestehenden Massnahmen sind weitere Schritte notwendig, wie die gezielte Förderung von weiblichen Vorbildern, die Weiterentwicklung gendersensibler Lehrpläne und die stärkere Vernetzung von Wissenschaft, Wirtschaft und Bildungspolitik. Die Schweiz hat mit ihrer Gleichstellungsstrategie 2030 und verschiedenen kantonalen Initiativen bereits wertvolle Schritte unternommen. Doch es bleibt noch viel zu tun. Die enge Zusammenarbeit zwischen Schulen, Hochschulen, Unternehmen und politischen Entscheidungsträger:innen ist unerlässlich, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken und eine inklusivere MINT-Zukunft zu gestalten.