Das Gespräch führte Ester Elices
Isabelle Santamaria: Ursprünglich war der Nationale Zukunftstag als «Tochtertag» konzipiert worden, um Mädchen die Möglichkeit zu geben, in Berufe hineinzuschnuppern, die traditionell von Männern dominiert werden. Mittlerweile hat sich der Zukunftstag zu einer Veranstaltung entwickelt, die alle Geschlechter miteinbezieht und anspricht. Er ist zu einer Institution geworden, die aus dem Schweizer Schulkalender nicht mehr wegzudenken ist.
Sicherlich die Öffnung des Zukunftstags für Jungen und die Einführung von spezifischen Programmen, die sie ermutigen sollen, Berufsfelder kennenzulernen, die eher als «frauentypisch» gelten. Gemäss des Mottos «Seitenwechsel» begleiten Jungen eine Fachperson aus einem Betreuungs- und Gesundheitsberuf oder aus Bereichen der Sozialen Arbeit; Mädchen eine Fachperson aus der Informatik, der Technik oder aus dem Bau- und Ingenieurwesen. Dies unterstützt die umfassende Gleichstellung der Geschlechter und erweitert die Berufswahlhorizonte für alle Kinder.
Wir haben spezielle Programme lanciert wie «Mädchen-Technik-los!» und «Mädchen-Informatik-los!», die die jungen Frauen gezielt in technische und naturwissenschaftliche Berufe einführen sollen. Zudem arbeiten wir eng mit Schulen und Unternehmen zusammen, um Mädchen anzuspornen, diese Chancen zu nutzen, auch deshalb, weil es matchentscheidend sein kann, gerade in diesen Arbeitsfeldern auf weibliche Vorbilder zu treffen. Denn wie gesagt, Ziel des Zukunftstags ist, dass Mädchen Berufe kennenlernen, die sie vorher möglicherweise nicht in Betracht gezogen hätten.
Sie ist eine wertvolle Ergänzung zu unseren eigenen Initiativen und liegt uns deshalb sehr am Herzen. Die Anzahl der Mädchen, die wir auf das Mentoring-Programm hinweisen können, beträgt jährlich etwa 1‘800. Durch die Partnerschaft mit «Swiss TecLadies» können wir die beruflichen Chancen der Mädchen erweitern, sie in ihrer technischen und beruflichen Laufbahn bestärken und ihnen langfristige Unterstützung bieten.
Ja, wir haben zahlreiche positive Rückmeldungen von ehemaligen Teilnehmenden erhalten. Ein Mädchen, zum Beispiel, hat sich nach ihrem Zukunftstag bei einer Ingenieurfirma entschlossen, Maschinenbau zu studieren. Ein anderes Beispiel ist ein Junge, der nach seinem Einblick in den Pflegeberuf eine Ausbildung als Pflegefachmann beginnt. Diese Geschichten zeigen, dass der Zukunftstag eine bedeutende Rolle dabei spielt, den Horizont der Jugendlichen zu erweitern und ihnen neue berufliche Perspektiven aufzuzeigen.
Wir koordinieren unsere Planung mit Schulen, um sicherzustellen, dass der Tag optimal in den Schulkalender integriert ist und dass Lehrpersonen wie Schüler:innen gut darüber informiert sind. Auf unserer Website finden Lehrpersonen umfassende Materialien zur Vor- und Nachbereitung des Zukunftstags. Mit Unternehmen entwickeln wir interessante und lehrreiche Programme, die den Schüler:innen praxisnahe Einblicke in verschiedene Berufe bieten. Auch für Unternehmen haben wir spezifische Schulungen und Materialien zusammengestellt, die sie bei der Vorbereitung und Durchführung des Zukunftstags unterstützen.
Wir entwickeln die Spezialprojekte laufend weiter und stellen sicher, dass für alle Zielgruppen attraktive Angebote bereitstehen. Darüber hinaus führen wir regelmässig Evaluationen und Feedbackrunden durch, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse und Interessen beider Geschlechter berücksichtigt werden. Nicht zuletzt arbeiten wir auch eng mit Schulen und Unternehmen zusammen, um eine ausgewogene Teilnahme zu gewährleisten.
Eine der grössten Herausforderungen besteht darin, dass der «Seitenwechsel» umfassend kommuniziert und umgesetzt wird. Vielen Leuten, Eltern wie Lehrpersonen, ist nicht bewusst, wie gendersegregiert die Berufswahl noch immer ist. So beträgt etwa der Frauenanteil bei den Eintritten in den Bereichen Informatik, Ingenieurwesen und Technik weniger als 10 %, während die Männer bei den Eintritten im Sozial- und Gesundheitswesen weniger als 15 % ausmachen. Deshalb ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass der «Seitenwechsel» dazu beiträgt, den Berufswahlhorizont der Jugendlichen zu erweitern, indem sie am Zukunftstag Berufe und Tätigkeiten entdecken, bei denen ihr Geschlecht unterrepräsentiert ist. Insofern ist der Zukunftstag kein normaler Berufsschnuppertag. Zudem müssen Unternehmen davon überzeugt werden, dass es sich für sie lohnt, am Zukunftstag teilzunehmen, dass sie ihr Engagement als eine Investition in die eigene Zukunft verstehen. Denn durch die Teilnahme können sie auf sich aufmerksam machen und neue Fachkräfte gewinnen. Geschlechtergemischte Teams arbeiten nachweislich produktiver und kreativer, was einen erheblichen Mehrwert für die Unternehmen darstellt.
Das ist ein weiterer wichtiger Aspekt, denn diese Kooperation ist zentral für den Erfolg des Zukunftstags. Berufsverbände können helfen, Unternehmen zu mobilisieren und die Bedeutung des «Seitenwechsels» und damit der geschlechterübergreifenden Berufswahl zu kommunizieren. Berufsverbände spielen auch eine zentrale Rolle dabei, die Reichweite und Akzeptanz des Zukunftstags zu erhöhen und seine langfristigen Ziele zu unterstützen.
Ich sehe den Nationalen Zukunftstag weiterhin als eine Schlüsselinitiative zur Förderung der geschlechterunabhängigen Berufswahl und zur Unterstützung der Geschlechtergleichstellung in der Arbeitswelt. Künftig wollen wir den Zukunftstag noch stärker in die Bildungslandschaft integrieren und unsere Programme weiter ausbauen, um noch mehr Schüler:innen die Möglichkeit zu bieten, geschlechtsuntypische Berufe und Tätigkeiten zu entdecken. Ein weiteres Ziel ist es, den Zukunftstag nachhaltiger zu gestalten, indem wir mehr Schüler:innen in Nachfolgeprojekte überführen, um damit ihre berufliche Entwicklung langfristig zu unterstützen.