Schweizer Hochschulen kommunizieren aktiv über Twitter; oft auch zu zukunftsweisenden Technologien, die im Fokus ihrer Forschung und für ihre strategische Ausrichtung bedeutend sind. Blockchain, Big Data und Photovoltaik wurden 2019 besonders häufig erwähnt.
Die SATW hat alle Tweets des Jahres 2019 von Schweizer Hochschulen mit Bezug zu den 37 im Technology Outlook 2019 beschriebenen Technologien ausgewertet. Diese Analyse gibt zwar keinen Aufschluss, zu welchen Technologien wie intensiv geforscht wird, aber sie zeigt, zu welchen sich die Hochschulen in der Öffentlichkeit äussern – zumindest auf Twitter. Grundlage der Analyse sind die offiziellen Twitter-Kanäle der Schweizer Hochschulen. Profile einzelner Institute und Departemente wurden ebenso wenig berücksichtigt wie jene von Einzelpersonen oder Forschungsgruppen.
Vier der fünf meistgenannten Technologien aus dem Jahr 2018 sind auch 2019 unter den Top 5, jedoch in anderer Reihenfolge. Neu vertreten ist Machine Learning; dafür sind selbstfahrende Autos nicht mehr enthalten, wie die Tabelle zeigt:
Von den betrachteten 37 Technologien wurde 2019 von Schweizer Hochschulen am häufigsten zu Blockchain getwittert. Im Vorjahr lag die Verschlüsselungs- und Speichertechnologie noch knapp auf Platz zwei. Obwohl sie einen Platz gut machte, gab es 2019 18 Prozent weniger Tweets dazu. Davon behandelte ein Drittel das Thema Kryptowährungen; ein Drittel Smart Contracts und Digital Trust. Ein weiteres Drittel liess sich keiner dieser Kategorien zuordnen, war aber stark technologiegetrieben. In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Blockchain-Technologie eng mit Kryptowährungen verbunden. Als Bitcoin Ende 2017, Anfang 2018 ein nie gesehenes Kurshoch erreichte, war Blockchain in aller Munde. Mit dem folgenden Kurssturz ging auch das allgemeine Interesse zurück, was sich aber nicht in der Anzahl Tweets von Hochschulen zeigte. Die Blockchain-Technologie kann nicht nur für Kryptowährungen eingesetzt werden. Sie erlaubt es, Daten sicher, verschlüsselt und dezentral zu speichern. Das Beratungsunternehmen Gartner geht davon aus, dass die Technologie den «Gipfel der überhöhten Erwartungen» hinter sich gelassen hat und sich aktuell im «Tal der Tränen» befindet. Die nächsten drei bis fünf Jahre werden zeigen, welches Potential in Blockchain steckt und ob sie sich zu einer Standardtechnologie entwickeln wird.
Die Anzahl Tweets zu Big Data haben sich im Vergleich zu 2018 mehr als verdoppelt. Tweets zu Forschungsprojekten stiegen um 150 Prozent, während jene mit Hinweis auf Veranstaltungen und Medienberichte stagnierten. Ebenfalls zur Steigerung beigetragen hat, dass 2019 mehrere Hochschulen Studiengänge mit Fokus Data Science lanciert haben, so etwa die FHNW, Hochschule Luzern und Universität Luzern. Das Potenzial der Technologie scheint erkannt worden zu sein.
Von 2010–2017 stieg das öffentliche Interesse an Big Data deutlich an. Seither ist es leicht rückläufig. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Big Data eine Schlüsseltechnologie für die Schweiz werden könnte, wie es der Technology Outlook 2019 nahelegt: Sowohl Kompetenz als auch volkswirtschaftliche Bedeutung sind hierzulande sehr hoch.
Im Jahr der Klimastreiks haben sich die Hochschul-Tweets zur Photovoltaik mehr als verdoppelt. Rund zwei Drittel wurden von der EPFL abgesetzt. Analog dazu kommt ein Bericht des Bundesamtes für Energie (BFE) zum Schluss, dass die EPFL über Forschungsgruppen verfügt, die im Bereich der Solarzellenentwicklung zu den weltweit führenden gehören (vgl. BFE 2017, S. 14). Das Suchvolumen auf Google seit 2004 zeigt ein deutlich gestiegenes allgemeines Interesse seit 2006 sowie den Peak 2011, im Jahr des Reaktorunfalls in Fukushima. Auch in den darauffolgenden Jahren blieb das öffentliche Interesse höher als zu Beginn der 2000er-Jahre, was u.a. auf die 2009 eingeführte kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) zurückzuführen ist.
Auch wenn die Schweiz über keine Photovoltaik-Marktführer verfügt, besteht Hoffnung, dass dank Innovationen Marktanteile zurückgewonnen werden können, die in den letzten Jahren vor allem an asiatische Anbieter verloren gingen. Das BFE kommt im zitierten Bericht zum Schluss, dass in der Schweiz «[…] durchaus gute Rahmenbedingungen [bestehen] dank exzellenten Forschungseinrichtungen und langjähriger intensiver Zusammenarbeit zwischen Industrie und Forschung.» (BFE 2017, S. 6)
Bis Anfang der 2010er-Jahre wurde Machine Learning fast nur in Expertenkreisen diskutiert. Mit dem Aufkommen von Online-Übersetzungsdiensten, natürlichsprachlichen Interfaces (wie Alexa und Siri) oder der automatischen Bilderkennung überschritten Verfahren maschinellen Lernens die Aufmerksamkeitsschwelle der Öffentlichkeit. Rund 70 Prozent der Tweets zum Thema stammen von EPFL und ETH Zürich. Letztere gab 2018 bekannt, dass hundert neue Professuren geschaffen werden sollten, um die Anforderungen der Digitalisierung zu meistern und international kompetitiv zu bleiben. Maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz beschäftigen Universitäten, Unternehmen und Staaten gleichermassen. Auch wenn sich die medialen Diskussionen häufig um die Angst vor Arbeitsplatzverlusten dreht, rechnen Analysten von PWC für den Standort Deutschland mit einem Wirtschaftswachstum von über zehn Prozent durch der Einsatz von KI. Ende 2019 veröffentlichte das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation einen Bericht zur KI in der Schweiz. Die SATW hat dazu die Berichten «Künstliche Intelligenz in Wissenschaft und Forschung» und «Künstliche Intelligenz in Industrie und Dienstleistungen» beigesteuert, und bereits zuvor ein Whitepaper mit Empfehlungen für eine nationale Strategie veröffentlicht.
2018 waren Drohnen das Überfliegerthema: Jeder vierte der untersuchten Tweets handelte von den kleinen Flugobjekten. 2019 war es nur noch jeder zwölfte. Am deutlichsten gingen die Tweets zu Forschungsprojekten zurück, gefolgt von jenen zu Tagungen und Konferenzen. Auch Tweets zu entsprechenden Schweizer Unternehmen sanken um 40 Prozent. Insbesondere die EPFL twitterte deutlich seltener zum Thema. 2018 waren es 28, im Jahr 2019 noch deren zehn. Auch andere Hochschulen haben Drohnen nicht mehr in gleichem Ausmass thematisiert, auch wenn dort der Rückgang nicht ganz so drastisch ausfiel. Womöglich verlagern sich die Aktivitäten vermehrt zu den zahlreichen universitären Spin-offs, deren Tweets nicht erfasst wurden. Die Schweiz gilt als Drone Valley mit über 80 Unternehmen und ungefähr 2500 Arbeitsplätzen, die Drohnen oder Komponenten dafür herstellen. Laut Handelszeitung fliegen rund drei Viertel aller Drohnen weltweit mit Software aus der Schweiz. Gartner rechnet damit, dass 2020 mehr als eine halbe Million neue Drohnen in Unternehmen zum Einsatz kommen werden. Der grosse Durchbruch wird aber erst ab 2023 erwartet.
Stefan Scheidegger, Projektleiter Früherkennung, Tel. +41 44 226 40 23, stefan.scheidegger(at)satw.ch