Die Spannung steigt jedes Jahr gegen Ende November, wenn unter den zahlreichen Anträgen die rund zwanzig Projekte bekannt gegeben werden, die für eine Förderung durch das Germaine de Staël-Stipendium angenommen wurden. Das Programm fördert den Austausch zwischen schweizerischen und französischen Wissenschaftsinstitutionen und steht allen Disziplinen offen. Welche Austauschprojekte dieses Jahr ausgewählt wurden, zeigt diese Liste:
Wie sieht eine solche Forschungspartnerschaft in der Praxis aus? Auf der Förderliste von 2023 findet sich unter anderen das Projekt „Die Rolle der Allelopathie bei der Regulierung von Unkräutern durch Zwischenfruchtbedeckungen“. Ein nicht ganz einfacher Titel, aber die Erklärung ist relativ einfach: Es handelt sich um Kulturpflanzen, die zwar nicht direkt zur Ernte eines kommerzialisierbaren Landwirtschaftprodukts führen, diese aber positiv beeinflussen – durch den Schutz des Bodens und die Mobilisierung verschiedener biologischer Prozesse, u.a. die Bekämpfung von Wild- oder Beikraut (gemeinhin «Unkraut» genannt) mittels Allelopathie.
Obwohl das Phänomen seit der Antike bekannt ist, konnte der Mechanismus der natürlichen Unkrautbekämpfung – durch die Abgabe chemischer Stoffe entweder in der Erde oder durch die Luft – erst vor 85 Jahre entschlüsselt werden. Dank des grenzüberschreitenden Förderprogramms Germaine de Staël trafen sich die führenden französischen und schweizerischen Forschungsgruppen dieses Spezialgebietes der Agroökologie, um im wörtlichen Sinn gemeinsame Spuren im Nutzpflanzenacker zu ziehen. Ihre Leiterinnen: Dr. Delphine Moreau vom Nationalen Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt, INRAE/UMR Agroökologie, in Dijon, und Dr. Aurélie Gfeller, Agroscope, in Changins/Nyon im Kanton Waadt.
Wie bei allen Kooperationen im Germaine de Staël-Programm überschreiten die Teilnehmer nicht nur geografische, sondern auch wissenschaftliche und kulturelle Grenzen – oft ein entscheidender Auslöser für die Entstehung neuer Ansätze und Entwicklungen. In einer Umfrage zu vergangenen Programmen bewerteten mehr als die Hälfte der Teams die Bedeutung dieser Förderung als mittel bis hoch und 50% gaben an, dass ihre Zusammenarbeit ohne dieses Programm wahrscheinlich nicht zustande gekommen wäre.
Inwieweit kann Allelopathie tatsächlich zur Unkrautregulierung auf dem Feld beitragen? Dies ist das zentrale Thema der Zusammenarbeit zwischen Delphine Moreau und Aurélie Gfeller, die zahlreiche Folgeideen zwischen beteiligten, erfahrenen Forscher:innen entstehen liess. Darüber hinaus ermöglichte der Austausch eine Erweiterung der Wissenschaftsarbeit der Doktorand:innen und Masterstudierenden, die aktiv an den verschiedenen Treffen teilnahmen. Um es mit den Worten von Aurélie Gfeller zusammenzufassen: «Unsere Zusammenarbeit im Programm «Germaine de Staël» war überaus fruchtbar – auf wissenschaftlicher, kultureller und auf pädagogischer Ebene.»
Delphine Moreau (DM): „Die Ergänzung von Videotreffen durch persönliche Besuche ist wichtig für die Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern. Obwohl wir mit der flexiblen und kostengünstigen Videotelefonie Zeit sparen, sind physische Treffen auch in einer digitalisierten Welt nötig, wenn man seine Partner:innen wirklich kennen lernen möchte. Und natürlich fürs kreative Brainstorming. »
Aurélie Gfeller (AG): „Der Austausch vor Ort ist von zentraler Bedeutung, um bestehende Partnerschaften zu vertiefen und neue Kontakte zu knüpfen. Die Kommunikation wird erleichtert und bereichert. Darüber hinaus sind Experimente und Maschinen manchmal nur in der Partnerorganisation verfügbar. Ich habe von Delphines Modellierungswissen profitiert und ich glaube, dass Delphine meine Erfahrung in der Allelopathie nutzen konnte.“
DM: Unser Forschungsgebiet ist heute noch sehr wenig bekannt. Die Zusammenarbeit hat eine starke Verbindung unserer Kompetenzen ermöglicht. Die Schweizer Agroscope verfügt über anerkannte Fachkenntnisse in der Allelopathie und den zugrunde liegenden Mechanismen, die im Labor mithilfe biochemischer und biologischer Ansätze, der Molekularbiologie, Genomik und Physiologie untersucht werden. Das UMR Agrarökologie andererseits verfügt über anerkannte Fachkenntnisse in der Biologie von Unkräutern, der Wirkung von Anbausystemen, mechanistischer Modellierung und virtuellen Experimenten, um Prozesse zu quantifizieren, die im Feld schwer zu messen sind, und um ihre Determinanten besser zu verstehen. Aber die Allelopathie ist ein Prozess, in dem wir noch kaum Fachwissen hatten.
AG: Delphines Ausführungen kann ich bestätigen. Mir wurde ausserdem klar, inwiefern bestimmte Mechanismen, die wir auf der Ebene einer Pflanzenwurzel beobachten, auch Auswirkungen auf die Ebene der landwirtschaftlichen Parzelle haben können.
DM: Diese Austauschfinanzierung ermöglichte es mir, den Grundstein für ein neues Allelopathie-Modul für das FlorSys-Modell zu legen, ein neues Kooperationsprojekt für den Schweizerischen Nationalfonds (FNS-ANR) einzugeben und an den folgenden wissenschaftlichen Artikeln mitzuarbeiten:
DM: Unsere beiden Labore beschäftigen sich mit der Unkrautbekämpfung. Die Fachgebiete der beiden Labore ergänzen sich sehr gut.
AG: Auf wissenschaftlicher Ebene gibt es keine Unterschiede, vielleicht eher in der Struktur, der Organisation, den Hierarchien. Wir hätten nicht zusammengearbeitet, wenn unsere Ansätze nicht ähnlich wären. Was die Unterschiede zwischen der französischen und der schweizerischen Landwirtschaft betrifft, so sind die Themen, Fragen und Probleme letztlich dieselben.
AG: Es war eine hervorragende Gelegenheit, die Stärken unserer beiden Labore mit konkreten Zielen zusammenzuführen. Während unserer Treffen zur Besprechung der Ergebnisse entstand die Idee, weitere Projekte zu starten. Uns wurde klar, dass das Untersuchungsspektrum breiter ist, als angenommen und dass wir weiterhin zusammenarbeiten wollen. Aus diesem Grund bereiten wir aktuell gemeinsam mit dem Schweizerischen Nationalfonds ein grösseres Projekt vor. Tatsächlich ist die Reduzierung des Herbizideinsatzes ein zentrales Thema in der Landwirtschaft und erfordert verschiedenste Maßnahmen, um ausreichende Erträge zur Ernährung der Bevölkerung mit lokalen Produkten zu gewährleisten.
Anne-Louise-Germaine Necker, Baronin von Staël-Holstein oder einfach Madame de Staël (1766–1817), war eine französisch-schweizerische Schriftstellerin, Forscherin und Denkerin, die zur Zeit der Französischen Revolution politisch aktiv war. Ihre Persönlichkeit war so kraftvoll und ihr Beziehungsnetz so groß, dass sogar Napoleon sie fürchtete und sie aus Paris verbannte.
Ihr wird das Zitat zugeschrieben: „Sollte nicht jede Frau, wie jeder Mann, ihre eigenen Talente verfolgen?“. Genau dies tun heute die Teilnehmer:innen des wissenschaftlichen Förderprogramms, welches ihren Namen trägt.