Die Defossilierung der Industrie ist ein zentraler Hebel auf dem Weg zur Klimaneutralität. Denn auch 2050 wird es in der Schweiz unvermeidbare CO₂-Emissionen geben – insbesondere aus der Zementproduktion, der Abfallverwertung und der chemischen Industrie. Diese Emissionen können jedoch teilweise aufgefangen und stofflich verwertet werden – durch sogenannte Carbon-Capture-and-Utilization-Verfahren (CCU).
Im Rahmen ihrer Forumreihe zur Defossilierung hat die SATW Expert:innen aus Wissenschaft, Industrie, Verwaltung und Verbänden eingeladen, um das Potenzial der CO₂-Nutzung zu analysieren. Die Teilnehmenden diskutierten internationale Entwicklungen, technologische Optionen sowie konkrete Schweizer Anwendungen, etwa von Climeworks, Neustark oder Holcim. Auch neue Geschäftsmodelle und Investitionsstrategien, wie sie etwa der Defossilisation Development Fund (DDF) verfolgt, wurden vorgestellt.
Die Diskussionen machten deutlich, dass CCU kein einheitliches Verfahren darstellt, sondern eine Vielzahl von technologischen Wegen umfasst – mit jeweils unterschiedlichen technologischen Reifegraden und Skalierungsmöglichkeiten. Zudem ist die CO₂-Abscheidung besonders energieintensiv, was insbesondere in der Schweiz mit begrenzter Verfügbarkeit erneuerbarer Energien zu beachten ist. Die Realisierung entsprechender Anwendungen setzt daher neben technologischer Entwicklung auch gezielte Investitionen, regulatorische Rahmenbedingungen und sektorübergreifende Kooperation voraus.
Das Forum identifizierte zentrale Handlungsfelder, darunter:
Die chemische Industrie gilt in der Schweiz als Schlüsselbranche. Ihr langfristiger Kohlenstoffbedarf lässt sich beim Verzicht auf fossile Ressourcen nur durch Recycling, oder die Nutzung von Biomasse und CO₂ decken. Daher ist der Aufbau von CCU für diese Industrie ein strategisch wichtiges Anliegen.
«Eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung ist untrennbar mit der Dekarbonisierung verbunden, und ein kohlenstoffarmes Wachstum wird die einzige Wachstumsgeschichte der Zukunft sein. Die SATW besprach mit Teilnehmer:innen aus der Industrie, Akademie und Verwaltung die Optionen, um aus dem Treibhausgas CO2 einen Rohstoff zu machen.»
Hans-Peter Meyer meyer@expertinova.comDie Diskussionen im SATW-Forum zeigten, dass es keine universelle Lösung für die CO₂-Nutzung (CCU) gibt. Die bestehenden Technologien befinden sich auf unterschiedlichen Reifegraden, viele sind zwar skalierbar, aber noch nicht im industriellen Massstab umgesetzt. Neben technologischen Fragen sind vor allem vier Voraussetzungen für den Durchbruch zentral: ausreichend erneuerbare Energie, Pilot- und Skalierungsinfrastrukturen, ein kalkulierbarer CO₂-Preis sowie geeignete regulatorische Rahmenbedingungen.
Gerade für die Schweiz, die über begrenzte erneuerbare Energieressourcen verfügt, sind selektive, wirkungsvolle Anwendungen entscheidend. Als innovationsstarkes Land mit international wettbewerbsfähiger Industrie kann sie eine Vorreiterrolle in der Entwicklung nachhaltiger CCU-Technologien übernehmen – auch als Beitrag zu globalen Lösungen. Eine neue Bundes-Ausschreibung zur CO₂-Entnahme und -Speicherung will solche Anwendungen gezielt fördern.
Ein zentrales Entwicklungsfeld bleibt die industrielle Biotechnologie. Ihr Potenzial – insbesondere für die chemische Industrie – wurde im Forum noch nicht ausreichend behandelt. Daher plant die SATW ein weiteres Diskussionsforum, das biotechnologische Ansätze zur CO₂-Nutzung systematisch beleuchtet und zur Vernetzung bisher isolierter Akteur:innen beitragen soll. Ziel ist es, eine gemeinsame Strategie zur industriellen Defossilierung zu erarbeiten.